Modellbasierte Hördiagnose

Diagnose von Mittelohrpathologien durch modellgestützte Auswertung objektiver Hörtests.

Beschreibung

Die Hördiagnostik ist heutzutage aufgrund der großen interindividuellen Varianzen und der schlechten optischen Zugänglichkeit des Ohrs in der Spezifität auf ein bestimmtes Krankheitsbild und in der quantitativen Beurteilung stark eingeschränkt. Häufig ist nur eine Ja-oder-Nein-Entscheidung möglich, die teilweise stark von der subjektiven Einschätzung des HNO-Arztes abhängt.

Abbildung 1: Modellbasierte Hördiagnose objektiver Messverfahren wie der Breitbandtympanometrie (unten links) mit dem numerischen Mittelohrmodell und neuronalen Netzen.

Durch Auswertung objektiv gewinnbarer, nicht-invasiver audiometrischer Messungen mit Hilfe eines numerischen Mittelohrmodells sollen die versteckten Mittelohreigenschaften sichtbar und quantifizierbar gemacht werden. Mithilfe des Modells können gezielt Ursache-Wirkungszusammenhänge von pathologischen Änderungen auf das das Übertragungsverhalten des Mittelohrs unabhängig von Nebeneinflüssen untersucht werden. Zusammen mit klinischen Beobachtungen verbessert dies das physikalische Verständnis und ermöglicht eine direkte Zuordnung von Phänomenen zu den mechanischen Eigenschaften der natürlichen Strukturen. Weiterhin kann das Modell Expertenwissen über physikalische Zusammenhänge mit klinischem Expertenwissen quantitativ und multimodal verknüpfen. Dadurch kann der Informationsgehalt von derzeit nur beschränkt auswertbaren großen Datenmengen aus verschiedenen objektiven Diagnoseverfahren wie der Breitbandtympanometrie wesentlich besser ausgewertet und verknüpft werden.

Im Fokus unserer aktuellen Forschung stehen eine valide Abbildung von Diagnosemessungen wie der Breitbandtympanometrie mit dem Modell. Bei der Modellvalidierung werden neben publizierten klinischen Studien auch Felsenbeinmessungen herangezogen. Felsenbeinmessungen ermöglichen es bei Patienten schwer und nur durch Langzeitstudien erfassbare strukturelle Veränderungen im Ohr systematisch und kontrolliert zu untersuchen. Zudem stehen wichtige weitere Messgrößen zur Verfügung, die bei Patienten nicht messbar sind.

Um die Simulationsergebnisse an individuelle Messdaten anzupassen und die den anatomischen Eigenschaften korrespondierenden Modellparameter zu identifizieren werden verschiedene Identifikationsverfahren wie z.B. Mustersuchalgorithmen angewandt. Aufgrund der großen Anzahl an Modellparametern werden den Identifikationsverfahren Sensitivitätsanalysen vorangestellt.

Abbildung 2: Monte-Carlo Modellparameterschätzung für eine Population physiologisch normaler Ohren.

Um die Unsicherheiten in der Identifikation und die Parameterverteilungen verschiedener normaler und pathologischer Populationen zu ermitteln, werden Methoden wie Monte-Carlo und Bayes-Inferenz eingesetzt. Mithilfe von neuronalen Netzen sollen unter Berücksichtigung des umfangreichen Modellwissens praxistaugliche Diagnosealgorithmen entwickelt werden.

Dieses Bild zeigt Peter Eberhard

Peter Eberhard

Prof. Dr.-Ing. Prof. E.h.
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