Fahrsicherheit

1,2 Millionen Menschen verlieren jährlich bei Verkehrsunfällen ihr Leben. Für die Vision Zero, die das Ziel vereint, Unfälle und Verletzungen im Verkehr zu vermeiden, sind digitale Entwicklungsmethoden entscheidend.

Neben der digitalen Entwicklung ist auch die Betrachtung aller sicherheitsrelevanten Fahrphasen sehr wichtig, um die Insassen optimal zu schützen. Die relevanten Fahrphasen lassen sich dabei wie in Abbildung 1 aufteilen.

Abbildung 1: Verschiedene Fahrphase die in der Fahrzeugsicherheit relevant sind.
Abbildung 2: Das dynamische Modell ist unter anderem in der Lage, die Muskelregelung bei gezielten Bewegungen zu simulieren und Komfort beziehungsweise Verletzungsrisiken zu bewerten. Foto: Fraunhofer ITWM

Übergang Komfort zur Fahrzeugsicherheit

Im normalen Fahren, in dem hauptsächlich aktive Fahrzeugsicherheitssysteme (Lane keeping Assistent, AEB, …) wirken, wird versucht ein Crash zu verhindern. In dieser Phase ist es schon von großer Bedeutung die Interaktion der Insassen und die Insassenbewegung zu verstehen. So wird im Projekt EMMA4Drive ein digitales Menschmodell entwickelt, um die Bewegung des Insassen effizient simulieren zu können. Ein solches Modell erlaubt die Entwicklung und Untersuchung von neuen Sitzpositionen, die durch autonom fahrende Autos möglich werden. So soll unter anderem untersucht werden, wie ein Insasse von einer komfortablen Liegeposition in eine sichere aufrechte Position gebracht werden kann, bevor es zu einem Aufprall des Fahrzeuges kommt.

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Seitenaufpralltest nach dem europäischen Standard ECE R95 - das Modell Ford Taurus 2001 wurde vom National Crash Analysis Center (NCAC) der George Washington University im Rahmen eines Vertrags mit der FHWA und NHTSA des US DOT entwickelt.

Pre- und In-Crash Simulationen

Ist der Crash unvermeidbar sind Crashsimulationen heutzutage unerlässlich. Schon seit den 1950er Jahren werden Crashtests mit Dummys durchgeführt. Diese realen Tests sind sehr teuer, da im Entwicklungs-prozess schon Fahrzeugprototypen aufgebaut werden müssen, die nach dem Crashversuch nichtmehr verwendet werden können.

Um die Belastungen des menschlichen Körpers bei einem Crash abschätzen und entsprechende Insassenschutzsysteme entwickeln zu können, werden verschiedene Dummymodelle in Crashtests eingesetzt. Je nach Crash-szenario werden unterschiedliche Körperregionen belastet und daher werden z. B. für Untersuchungen des Seiten-aufpralls andere Dummymodelle verwendet als für den Frontalaufprall. Wie genau ein mechanischer Dummy den menschlichen Körper abbilden kann ist fraglich. Er kann aber stets nur für einen eingeschränkten Bereich valide Ergebnisse liefern. Für die aktuell verfügbaren Dummymodelle ist das die sogenannte In-Crash-Phase.  

So ersetzen Simulationen immer mehr den realen Crashtest und digitale Menschmodelle die Dummys, um effiziente Untersuchungen zu ermöglichen und ein tieferes Verständnis für die Verletzungsmechanismen der Insassen zu gewinnen. Experimente und Simulationen beschäftigen sich detailliert mit Menschmodellen, der Weiterentwicklung von aktiven Menschmodellen, die Muskelaktivierungen vor dem Crash abbilden können und der Validierung dieser an einem Fahrsimulator.

Ein Verletzungsmechanismus, der seit jeher hohen sozioökonomischen Kosten verursacht und mit den aktuellen Sicherheitssystemen schwer in Griff zu bekommen ist, ist der so genannt Whip-Lash. Eine schnelle Bewegung des Kopfes und eine hohe Belastung auf den Nacken, die bei einem Heckaufprall auf den Insassen wirkt.

Abbildung 3 Darstellung einer Finite Element Crashsimulation mit Airbag-Insassen-Interaktion.

Beschleunigung der Simulation

Neben der genauen Untersuchung der Kräfte, die auf den Menschen wirken, ist natürlich auch eine genaue Untersuchung der Deformation des Fahrzeugs im Crash unverzichtbar. Durch die dort verwendeten, detaillierten Modelle (mehrere Millionen Freiheitsgrade) benötigen jedoch selbst Rechencluster zu lange, um alle interessanten Parameter in den immer kürzer werdenden Entwicklungszeiten zu testen. Hier liegt es auf der Hand, zuerst eine Modellreduktion (MOR) durchzuführen, d. h. das Modell so sehr zu vereinfachen, dass die Rechenzeit der expliziten Finite-Elemente-Methoden signifikant abnimmt, jedoch das Modell seine Eigenschaften möglichst beibehält. Wie dies effizient und ohne Verlust wichtiger Informationen möglich ist beschäftigt sich unter Anderem die Surrogatsmodellierung.

Ganzheitliche Fahrzeugsicherheit

Neben der verbesserten Datenverfügbarkeit und verstärkter Vernetzung zwischen aktiver und passiver Fahrzeugsicherheit macht auch eine ganzheitliche Koordinierung der Sicherheit möglich. Mit einer ganzheitlichen Betrachtung der Fahrzeugsicherheit ist ein besserer Insassenschutz in vielen Szenarien möglich. Um die Fahrzeugsicherheit von der auslösungsbasierten Aktivierung einzelner Komponenten und Aktoren hin zu einer ganzheitlichen und nachvollziehbaren Sicherheitsentscheidung zu entwickeln ist das Projekt prädiktive Fahrzeugsicherheit gestartet.

Schutz aller Verkehrsteilnehmer

Zu allgemeinen Verkehrssicherheit gehört es auch die besonders verletzlichen Verkehrsteilnehmer ausreichend zu schützen. So liegt Sterblichkeit bei Motorradunfällen pro gefahrenem Kilomenter ein Vielfaches über der Sterblichkeit anderer Verkehrsmittel. Dies ist in dem geringen passiven Schutz der Motorradaufsassen begründet. Mit der Aufgabe die passive Motorradsicherheit zu verbessern beschäft sich das Projekt sicheres Motorrad.

Kontakt

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Jörg Fehr

apl. Prof. Dr.-Ing.
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